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Nachtgedanken - oder den Abwasch machen

von Nicole Schriever
29.06.2020

Nachtgedanken

Ich bin vor kurzem gefragt worden:

„Nicole, wie hast du es geschafft, deine Schlafstörung zu überwinden?“


Ich musste etwas schmunzeln...


Denn, als mich diese Frage erreichte, war es gerade 3.00 nachts. 
Habe ich meine Schlafstörung überwunden?

Wenn ich an meine Kindheit denke, dann sehe ich mich in den Nächten wach liegen und in die Dunkelheit lauschen.

Zu ängstlich um einzuschlafen. Damals hatte ich mir das Schlafen abgewöhnt.

Als Erwachsene lag ich im Bett und dachte: „Ich muss schlafen, ich muss morgen fit sein !“ Doch ich konnte einfach nicht einschlafen, ich drehte mich von einer Seite zur anderen und meine Gedanken kreisten immer schneller...

Dann war ich total gestresst. 
Zu recht, oder?


Meine Gedanken rasten in die Zukunft: Der nächste Tag wird stressig, denn

„Ich muss zur Arbeit - Ich muss etwas leisten - Ich muss gesund sein.“ 


Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere und der Blick fiel wieder auf die Uhr...
 Es wurde immer später und der Schlaf immer weniger...
 Die Anspannung bedrückender, denn da waren die stressigen Gedanken über meine Vergangenheit oder all die letzten Nächte, in denen ich nicht schlafen konnte, Unterhaltungen mit dem Chef -

Auseinandersetzungen oder andere Erinnerungen, die mir nicht gut taten.

Es ist erwiesen - in der Nacht werden die Sorgen und Nöte größer, als sie am Tag sind.

Vergangenheit und Zukunft = Stress.

Was ist mit der Gegenwart?


Ich kann nicht schlafen – Ist das wahr?


Es war mitten in der Nacht und ich hatte meine stressigen Gedanken schon überprüft. Aber schlafen konnte ich nicht.

In dieser Zeit las ich eine Mitschrift von Byron Katie in der stand... ungefähr:

„Wenn du nicht schlafen kannst – dann brauchst du das in diesem Moment nicht. Steh auf und mache den Abwasch.“

Soviel Wut war in mir. Wenn Katie jetzt vor mir gestanden hätte ....
Ich wollte sie einfach nur schlagen.


Stattdessen schnitt ich mir in meiner hilflosen Wut die Haare ab. Nicht kurz – sondern eine Glatze… Ich sah aus wie eine Krebspatientin – irgendwie hatte ich das wohl beabsichtigt.

Diese Schlaflosigkeit fühlte sich an wie ein unheilbarer Tumor. 
Ich nahm mir die Zeit und überprüfte stundenlang meine Glaubenssätze über das Schlafen: „Wenn ich einschlafe, bin ich in Gefahr.“ - „Ich muss schlafen, damit ich funktioniere.“ „Ich kann nicht schlafen.“

Setze all deine stressigen Gedanken ein, die du über die Zukunft und die Vergangenheit hast, die dich nachts nicht schlafen lassen. Sie waren bestimmt auf meiner Liste.


Ich weiß heute nicht mehr, welche das waren. Aber ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, anschließend schlief ich endlich ein. Von da an überprüfte ich diesen Satz ein Jahr lang: „Ich kann nicht schlafen!“

Ich danke all den geduldigen Menschen, die mich immer und immer wieder durch diesen Satz begleitet haben.


Ich kann mich an Nächte in fremden Städten und in fremden Räumen erinnern. Ich gab zu der Zeit in ganz Deutschland Seminare.

Ich kann nicht schlafen, ist das wahr?
Ja! Und frag mich bloß nicht die nächste Frage:


ICH WEISS MIT ABSOLUTER SICHERHEIT, ICH KANN NICHT SCHLAFEN! Sehr geduldige Begleiter – wie gesagt.

Langsam kam die Erkenntnis: Wie reagiere ich, wenn ich den Gedanken glaube: „Ich kann nicht schlafen?“

Wieviel Stress er in mir auslöste…
Wieviele Bilder aus der Vergangenheit in meinem Kopf auftauchten - in denen ich nicht geschlafen hatte.

Aber, auch die vierte Frage konnte ich langsam immer besser zulassen: 
„Wer wäre ich ohne den Gedanken - ich kann nicht schlafen?“

Ich könnte das warme Bett spüren und genießen. Ich wäre in der Gegenwart und nur in der Gegenwart. 
Angstfrei - in Sicherheit.


Langsam, ganz langsam schlief ich immer öfter bei diesen „Works“ ein. So manchen lieben Menschen, der mich durch diese Fragen begleitet hat, ließ ich im Dunklen zurück. Mit einem (ich hoffe) leisen Schnarchen auf meiner Seite.


Wer wärst du ohne diesen Gedanken? Nach und nach konnte ich das warme Bett schätzen lernen, den schnarchenden Hund im Körbchen und so weiter...

An dieser Stelle schlafe ich bis heute ein.

Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt: Ich gehe früh ins Bett und schlafe ungefähr vier Stunden, stehe auf - arbeite noch etwas, lese - was auch immer und lege mich dann noch mal zwei Stunden hin zum Schlafen. Ich habe meinen Glaubenssatz aufgegeben: „Ich muss schlafen.“

Katie hatte (mal wieder) Recht -
 Ich brauchte nicht zu schlafen, denn ich brauchte etwas anderes soviel dringender: Meine Ängst zu überprüfen, meine Geschichten aufzuarbeiten, in der Gegenwart anzukommen - und den Abwasch zu machen. Das schmutzige Geschirr in meinem Kopf.

Byron Katie: „Doing the dishes“ ist eine Übung darin, die Dinge zu tun, die gerade anliegen und diese lieben zu lernen.

Der inneren Stimme zu lauschen, die uns durch den Tag bringt und uns sagt was zu tun ist : Zur Arbeit fahren, den Abwasch machen, den Fußboden wischen.

Erlaube dir Achtung vor der Einfachheit.

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