vtw Storys

The Work (re)präsentieren

von Jelena Atanackovic
09.04.2021

Ich treffe Bekannte, die ich lange nicht gesehen habe. Sie fragen, was ich so mache. Eine Ausbildung, sage ich. Was denn für eine? „Zum Coach für The Work von Byron Katie“ sage ich und kaum ausgesprochen, blicke ich in fragende Gesichter. Jetzt muss ich das wieder erklären. Am besten kurz und bündig und auf den Punkt. "Das ist eine Methode, mit der ...." ich höre mich reden und je länger ich mich reden höre, desto schlechter finde ich meine Erklärung. Ich verhasple mich mehrmals und komme nicht zum Punkt. Die Gesichter erscheinen mir noch fragender als vor meiner Erklärung. Aprubt beende ich meinen Monolog. Nun schaue ICH fragend in IHRE Gesichter. Warum sagen sie nichts? Ich bemerke Unsicherheit in mir und finde plötzlich alles doof: Die Work, weil sie so schwer erklärbar ist, meine Bekannten, weil sie nicht nachfragen und nicht darauf eingehen. Und mich selbst, weil ich sie so schlecht erklärt habe. Wieso haben sie überhaupt gefragt. Und dieses bescheuerte Wort „Coach“. Es ist mir peinlich zu sagen, ich sei Coach. Was soll das sein, ein Coach? Keine Ahnung, aber ich bin das jedenfalls nicht. Was ich mit The Work mache ist ja kein Coaching im herkömmlichen Sinne. Sie sollen The Work nicht missverstehen. Sie sollen von ihr begeistert sein. Und sie sollen mich auf keinen Fall in die Eso Schublade stecken, wenn sie Begriffe wie Wahrheit, Freiheit oder Frieden hören. Als akademisch ausgebildeter Mensch mit kritischem Verstand ist mir schließlich bewusst, dass solche Begriffe erst mal definiert werden müssen. Und in die Life Coach Schublade sollen sie mich auch nicht stecken. Das würde meinem Selbstbild nun wirklich nicht gut stehen, wo ich doch dem herrschenden  Selbstoptimierungswahn kritisch gegenüberstehe. Wie soll ich erklären, was The Work ist ohne in diese Schubladen gesteckt zu werden? Ist das überhaupt möglich? Habe ich überhaupt Einfluss darauf, wie jemand etwas versteht? Nein, und das zu versuchen verursacht Stress.Ich will kontrollieren, was mein Gegenüber darüber denken darf und was auf keinen Fall. Was wirklich passiert ist, dass ich nicht einmal kontrollieren kann, was gerade aus meinen Mund kommt.

Wer bin ich ohne den Gedanken: Sie sollen The Work nicht missverstehen?

Ich antworte auf die Frage. Was für eine Ausbildung? Als Coach. Ganz einfach. Ende der Geschichte. Wenn sie nachfragen, schau ich mal, welche Worte aus meinem Mund kommen. Wenn nicht weiter nachgefragt wird, dann bleibt es dabei. Wow! Welch Klarheit und Einfachheit. Ich beantworte die Frage kurz und bündig und mache mir keine weiteren Gedanken darüber, was sie verstehen, ob ich es verständlich erklärt habe oder was sie darüber denken.

Ich kann auch sehen, dass ich bei mir nachspüre, ob ich gerade Lust habe, auszuholen und Worte für The Work zu finden. Das ist nämlich in der Situation nicht der Fall. Ich habe keine Lust, weil es kalt ist, ich durchgefroren bin und nach Hause will. Ich höre mich freundlich antworten: „Als Coach, wenn es dich interessiert, erzähle ich dir sehr gerne ein anderes Mal davon, aber jetzt ist mir kalt und ich mache mich auf den Heimweg". Ich finde das klingt souverän, selbstbewusst und klar, im Gegensatz zu meinem Gestammel. Ich war gedanklich in den Angelegenheiten meiner Bekannten, wenn ich will, dass sie etwas bestimmtes verstehen sollen, es toll finden sollen und wenn ich beeinflussen will, welches Bild sie von mir haben dürfen und welches nicht.
Ich kann erkennen, dass ich nicht bei mir war, ich stand nicht zu mir und auch nicht zu The Work. Kein Wunder kam Stress auf. Und gut, dass Stress aufkam. Der zeigt mir, dass hier grade etwas schief läuft.

Ich kehre den Satz zu mir um: Ich soll mich nicht missverstehen.
Ehrlich gesagt hatte ich in der Situation gar keine Lust zu erzählen, was ich für eine Ausbildung mache. Es war kalt, ich war durchgefroren und wollte nach Hause. Wäre ich bei mir geblieben, hätte ich das bemerkt und darauf reagiert. Wenn ich denke, ich muss auf diese Frage antworten, dann missverstehe ich mich. Ich missverstehe mich auch, weil ich mir eine Geschichte über mich, die Work und die Anderen erzähle, statt präsent zu sein, selbst nachzufragen, mich offen mitzuteilen, mit dem was gerade da ist.

Ich soll The Work nicht missverstehen.
Weil mir The Work wichtig ist, versuche ich sie so zu erklären, dass sie 100% richtig verstanden wird und scheitere dabei. Abgesehen davon, dass ich nicht wissen kann, was jemand versteht, lässt sich mein Verständnis von The Work garnicht mit dem Verstand erfassen. Worte können sie nur umschreiben. Sie ist erlebbar, erfahrbar, aber nicht erklärbar und somit nicht zu VERSTEHEN. Sie soll garnicht verstanden werden, sondern erfahren und erlebt werden.

Ich soll sie nicht missverstehen.
Das ist wahr, weil ich ihnen unterstelle, dass sie Worte wie Freiheit, Frieden und Wahrheit missverstehen würden und mich in eine Esoterik Ecke stecken würden. Wer sagt denn das? Vielleicht würde genau das ihr Interesse und ihre Neugier wecken. Ich traue ihnen nicht zu, es zu verstehen und erlaube ihnen gedanklich nicht, das zu verstehen, was sie nun mal verstehen.

Das Gegenteil: Sie sollen The Work missverstehen.
Sie sollen The Work missverstehen, weil sie nichts ist, was mit dem Verstand wirklich verstanden werden kann. Sie will erfahren werden. Sie ist eine Meditation, in der Antworten aus der Tiefe auftauchen, die eben nicht aus dem Verstand kommen. Es geht garnicht ums Verstehen, sondern ums Erfahren.

Ich wollte mich positionieren, und habe dabei versucht, zu manipulieren. Ich war in den Angelegenheiten meiner Bekannten, das hat mich verunsichert und das habe ich vermutlich auch ausgestrahlt. Wenn ich in meiner Angelegenheit bleibe, bin ich klar, selbstsicher und gelassen. Das scheint mir die passendere Art zu sein, The Work zu repräsentieren. Vielleicht ist es dann garnicht mehr nötig, sie zu erklären.

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