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Mit der Work kann es passieren, dass der Stress verschwindet. Irgendwohin.

von Silke Ploog
24.08.2023

 

Ich weiss nicht, wohin.

Und mein Leben ist dann leichter.

Heller, liebevoller.

 

Zum Beispiel habe ich den Gedanken untersucht: Meine Eltern interessieren sich nicht für mich.

 

Jahrzehnte meines Erwachsenenlebens bin ich damit herumgelaufen, dass die Menschen sich nicht für mich interessieren: nicht meine Chef:innen, nicht die Nachbar:innen, nicht die Leute im Small-Talk auf einer Party.

Sie interessieren sich nicht für meine berufliche Situation, nicht für meine privaten Ideen und Vorlieben, und schon gar nicht für meine Träume!

 

Auch war es mir wichtig, wie andere mich stets ganz besonders liebevoll einladen sollten, etwas von mir mitzuteilen. Um selbst zu Wort zu kommen, hab ich mich von anderen Menschen abhängig gemacht.

Nur folgerichtig ergriff ich einfach nicht das Wort. Das hat mir nicht nur im Beruf Nachteile gebracht.

 

Und auch privat hatte ich Stress: Las ich abends auf dem Messenger: "Bist Du noch wach?" war ich empört und wollte stattdessen lesen: "Liebste Silke, ich möchte gern noch einmal Deine Stimme hören. Bist Du noch wach?"

Natürlich erwartete ich diese Nachricht vergebens und ich hatte Stress, schon bevor das folgende Telefonat begann.

 

In meiner Work, also in meiner Meditation: Meine Eltern interessieren sich nicht für mich bemerkte ich die Situation, wie meine Eltern vertieft waren in ihre Arbeit und ich tauchte am Rande der Szene auf, um ihnen etwas mitzuteilen oder sie etwas zu fragen. Ich war 10 oder 12 Jahre alt.

 

Ich tauchte also auf und – nichts passierte.

Ich war traurig, empört, resigniert.

Der Gedanke tauchte auf: Ich will, dass sie mir sofort ihre Aufmerksamkeit schenken.

Und sie tun es nicht.

Sie sollten sich auf mich freuen!

Ich brauche von ihnen, dass ich Prio 1 bin.

In meinem Film wage ich, sie dennoch anzusprechen.

In mir taucht auf, wie sie schroff antworten: "Was willst Du?!" Die kleine Silke zuckt zusammen, macht sich kleiner, zieht sich zurück, schämt sich, traut sich nicht mehr, wirklich das zu sagen, wozu sie angetreten war.

 

In meiner Work taucht für mich ein Verständnis für meine Zartheit auf. Und wie sehr die Zartheit mich selbst braucht, um meine Zartheit liebevoll anzuschauen, anzuerkennen, wertzuschätzen und mit liebevollen Händen zu halten.

Mir selbst liebevoll, einladend und ermutigend zuzureden: Es ist völlig in Ordnung, dass Du jetzt etwas mitteilen oder fragen möchtest. Allen Menschen in Deiner Situation würde es jetzt so gehen. Und es ist auch in Ordnung, inne zu halten und die Szene anzuschauen: Deine Eltern dort, fokussiert auf ihre Arbeit und Du ebenfalls dort mit Deiner Fragestellung, wie Du unsicher und abwartend da stehst.

 

Und es taucht Verständnis auf für meine Eltern, die gerade ihre Dinge verrichten. Wie sie fokussiert sind auf ihre Arbeit. War ihnen eine Störung jetzt willkommen? Nun ja, in der Weise, wie sie sich verhielten, wohl eher nicht.

 

Um sie von ihrem Fokus zu lösen, bedurfte es nicht nur meines bloßen Erscheinens auf leisen Sohlen am Rande ihrer Szene, sondern es bedurfte eines beherzten: "Hallo, ich brauch jetzt sofort etwas von Euch!" Die Reaktion darauf wäre wohl gewesen: "Was willst Du?!" Und genau vor dieser Schroffheit oder Direktheit hatte meine kleine Silke große Angst.

 

In der vierten Frage der Work: Wer oder was wärst Du ohne den Gedanken: "Meine Eltern interessieren sich nicht für mich," bemerkte ich körperlich, wie Kraft in mich strömte: in meine Arme, meinen Torso, in meine Beine. Wo kam die Kraft plötzlich her? Die Kraft war ganz sicherlich schon in der Minute vorher in mir, nur spürte ich sie jetzt körperlich. Tatsächlich bekam während Meditation Zugang zu großer Stärke und Tatkraft in mir.

 

In dieser Meditation über die Szene mit meinen Eltern und mir bemerkte ich, wie ich mich entscheiden konnte zwischen einerseits

• kraftvoll auf die fokussierten Eltern zuzugehen und zu sagen: "Eltern, ich brauch Euch jetzt!" und

• erkennen, wie fokussiert die Eltern gerade sind und wie ich mein Bedürfnis ganz liebevoll halten und hüten kann. Ihm sagen, dass es völlig normal und angemessen ist. Dass es anderen Menschen in meiner Situation ebenso gehen würde. Und ich würde mir selbst sagen können: Liebes, es ist wunderbar, was Du gerade in Dir bewegst und momentan sieht es so aus, als wäre es nicht der richtige Zeitpunkt, die Eltern aus ihrer Fokussierung zu reißen. Versuche, Deine Wünsche noch etwas zu bewahren und finde lieber später am Tag – vielleicht beim Abendessen – einen passenderen Zeitpunkt, sie anzusprechen.

 

 

Mit dieser Work fand ich meine Liebe zu mir selbst,

ich fand Kraft in mir,

Ich fand meine völlige Unschuld und

wie völlig unschuldig meine Eltern gehandelt hatten.

Ich fand einen klaren Blick auf die Szene und

in welcher Energie meine Eltern damals waren,

nämlich fokussiert auf ihre Arbeit, statt allzeit aufnahmebereit zu sein für die Wünsche ihrer Tochter.

 

Mit meinem Selbstmitgefühl und meiner Kraft bekam ich Offenheit, die Situation besser zu erkennen und welche Möglichkeiten ich darin finde.

 

Ich fand meine Verantwortung.

 

Ich fand meinen Frieden in mir selbst

– und mit meinen Eltern, wie sie fokussiert arbeiteten, um die Familie zu unterstützen und zu ernähren.

 

Ich fand meine Freiheit, zu handeln, indem ich für die Situation aus zwei Möglichkeiten wählen konnte.

 

Und ich fand sogar die Kraft in mir, beherzt auf Menschen zuzugehen, und schroffe Antworten einzustecken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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