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Ich habe ein Lipödem Stufe 3. Es ist eine Krankheit, die nicht sehr schön ist. Wobei - gibt es überhaupt eine Krankheit, die schön ist?
Um mein Leben mit dem Lipödem etwas schmerzfreier zu führen und auch eine Umfangsvermehrung zu verringern, sollte ich Kompressionswäsche tragen - eine Kompressionsstrumpfhose, einen Bolero für die Arme und wenn nötig Handschuhe. Ich sollte dies alles tragen. Sollte ich. Ich tue es nicht.
Mich hat es genervt, dass ich diese für mich eigentlich so wichtigen Hilfsmittel nicht nutze, sondern auf Kriegsfuß mit ihnen stehe. Ich wollte, dass es anders wird. Also nutzte ich eine Treffen meines Vertiefungszyklus während der Ausbildung zur Coachin für The Work of Byron Katie und ließ mich begleiten.
K. begleitete mich beim Ausfüllen des Arbeitsblattes “Urteile über deinen Nächsten” und im Anschluss begleitete sie mich mit The Work durch das ganze Arbeitsblatt. (Sie erzählte mir später, dass sie es im ersten Moment seltsam fand, dass ich über eine Kompressionsstrumpfhose - eine Sache - ein Arbeitsblatt ausfüllen will, und fand es dann doch sehr interessant und lehrreich.)
Ich schaute mir u.a. die Gedanken “Die Kompressionsstrumpfhose ist widerspenstig.” und “Ich will, dass sie sich leichter anziehen lässt.” und “Die Kompressionsstrumpfhose sollte mitmachen.” an. Und bei jeder einzelnen Work stellte ich fest, dass ich sie als ein Monster, als einen Feind ansah. Und das nicht nur als Gedanke, sondern ich gab ihr richtig eine Persönlichkeit und bildete mir mit den Gedanken ein, dass sie sich wehrt und alles tut, damit ich sie so schwer wie nur möglich angezogen bekomme. Ja, das können tatsächlich Gedanken bewirken.
Während der Work-Umkehrungen musste ich teilweise lachen, wenn ich mir vorstellte, wie die Kompressionsstrumpfhose mir beim Anziehen hilft. Es kam so viel Leichtigkeit rein.
All die schweren Gedanken über sie und der Widerstand sie zu tragen, waren viel schmerzhafter, langwieriger und widerspenstiger als die Kompressionsstrumpfhose selbst - und vor allem nicht hilfreich.
Dieses Arbeitsblatt über meine Kompressionsstrumpfhose hat dazu geführt, dass ich sie am nächsten Tag anzog, ohne diesen riesigen Widerstand. Sie anzuziehen und zu tragen ist und bleibt bisher nichts was ich liebe und wahnsinnig gern tue - und zugegebener Maßen ich trage sie auch noch immer nicht täglich - aber ich trage sie von Zeit zu Zeit und der Kampf in mir und mit der Kompressionsstrumpfhose ist viel weniger geworden. Denn ich sehe sie nun als das was sie ist - eine sehr enge Strumpfhose, die von mir viel Kraft und Achtsamkeit braucht, um sie gut sitzend anzuziehen. Und wenn ich sie trage, dann kann ich sie als das zwickende Hilfsmittel ansehen, das sie ist - und irgendwann werde ich sie täglich tragen und froh sein, sie zu haben.
Ich verstehe, dass es abstrakt ist, über eine Sache zu worken und doch kann ich es nur empfehlen, denn mit unseren Gedanken über diese eine Sache machen wir sie doch sowieso lebendig. Also: warum ihr nicht auch ein ganzes Arbeitsblatt widmen?